Immer mehr junge Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss und finden keinen Ausbildungsplatz. Gleichzeitig klagen Unternehmen über fehlenden Nachwuchs. Arbeitsminister Hubertus Heil fordert mehr Unterstützung für benachteiligte Jugendliche, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Steigende Zahl an Jugendlichen ohne Berufsabschluss
Jährlich verlassen über 50.000 Schüler in Deutschland die Schule ohne Abschluss. Das hat gravierende Folgen: Die Zahl junger Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung wächst kontinuierlich. Laut einer Untersuchung der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung sind besonders Jugendliche mit niedrigem Schulabschluss betroffen.
Die Zahlen sprechen für sich: 2024 blieben mehr als 69.000 Ausbildungsplätze unbesetzt, während über 70.000 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz fanden. Zudem hat sich der Anteil der 20- bis 34-Jährigen ohne Berufsabschluss auf fast 20 Prozent erhöht – das entspricht 2,9 Millionen Menschen. Ohne Ausbildung ist das Risiko, arbeitslos zu werden, deutlich höher.
Übergangssektor als Problemzone
Viele Jugendliche starten nach der Schule nicht direkt in eine Ausbildung, sondern landen zunächst im Übergangssektor. 2023 betraf das fast 250.000 junge Menschen – mit steigender Tendenz. Dieser Bereich umfasst über 300 verschiedene Programme von Bund und Ländern, die den Berufseinstieg erleichtern sollen.
Doch die Realität sieht anders aus: Nur zwei Drittel der Jugendlichen schaffen es innerhalb von drei Jahren in eine Ausbildung. Kritiker sprechen daher von einer „Warteschleife“, in der junge Menschen ohne klare Perspektive „geparkt“ werden.
Gezielte Unterstützung für Auszubildende notwendig
Arbeitsminister Hubertus Heil sieht die Unternehmen in der Pflicht, Jugendlichen mit schlechteren Startbedingungen eine Chance zu geben. „Jedes Unternehmen, das Nachwuchs sucht, sollte auch diesen jungen Menschen eine Möglichkeit geben“, erklärte er bei einem Besuch in einem Penny-Markt in Wolfsburg.
Ein Lösungsansatz ist die assistierte Ausbildung. Dabei finanzieren Jobcenter oder Arbeitsagenturen Nachhilfe, Ausbildungsbegleiter oder zusätzliche Betreuung für Azubis. Laut der Bertelsmann-Studie könnten über ein Viertel der Jugendlichen im Übergangssektor sofort eine Ausbildung beginnen, wenn ein Platz vorhanden wäre. Weitere 36 Prozent wären mit professioneller Begleitung ausbildungsfähig.
Mangelnde Berufsorientierung als Hindernis
Ein weiteres Problem ist die unzureichende Berufsorientierung an Schulen. Viele Jugendliche kennen nur wenige Berufe oder haben durch kurze Praktika keine realistische Vorstellung von der Arbeitswelt. „Hat es an Ihrer Schule Berufsorientierung gegeben?“, fragte Heil die Penny-Auszubildende Joan Fricke. Ihre Antwort: Ein einziges, kurzes Praktikum.
Deshalb fordert Heil flächendeckende Berufsorientierung bereits ab der fünften Klasse – eine Aufgabe der Bundesländer.
Ausbildungsgarantie – reicht sie aus?
Um mehr Jugendlichen den Einstieg in eine Ausbildung zu ermöglichen, führte die Ampel-Koalition 2023 die Ausbildungsgarantie ein. Wer keinen Ausbildungsplatz findet, hat damit das Recht auf eine außerbetriebliche Ausbildung.
Ob diese Maßnahme ausreicht, bleibt unklar. „Es muss geprüft werden, ob die Ausbildungsgarantie die Zahl unversorgter Bewerber deutlich senkt“, sagt Clemens Wieland von der Bertelsmann Stiftung. Falls nicht, müsse nachgebessert werden – etwa mit mehr außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen.
Ein weiterer Vorschlag ist die Einführung von Teilqualifikationen, die sich zu einem vollständigen Berufsabschluss zusammensetzen. Das könnte vor allem leistungsschwächeren Jugendlichen helfen, schrittweise eine Ausbildung abzuschließen.
Fachkräfte gewinnen – Chancen bieten
Die steigende Zahl junger Menschen ohne Berufsabschluss ist nicht nur für die Betroffenen problematisch, sondern auch für die Wirtschaft. Unternehmen suchen dringend Fachkräfte, doch vielen Jugendlichen fehlt die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen. Nur durch bessere Berufsorientierung, gezielte Förderung und flexiblere Ausbildungswege lässt sich dieser Trend aufhalten.